Der Fischzug

 

Beginn der Fastenzeit in Schmidmühlen

(Bericht vom 17.02.1999)

 
Wie jedes Jahr findet auch heuer wieder am Aschermittwoch der traditionelle Fischzug statt, dessen Ursprung vermutlich bis ins 18. Jahrhundert zurück geht. Schriftliche Aufzeichnungen darüber, so die beiden Initiatoren Ernst Wein und Johann Rubenbauer, gebe es allerdings nur noch aus der Zeit nach dem 2. Weltkrieg. Ob dieses Brauchtum ursprünglich ein Bettelgang zu den Wirten um Freibier war (denn nach den langen Faschingsnächten zeigte sich der Geldbeutel manchen Maschkerers aufgrund exzessiver Narretei recht ausgelaugt) oder ob es auf die "Biergeschichte" unseres Marktfleckens zurückgeht – immerhin gab und gibt es in Schmidmühlen sieben Braurechte, die allerdings nicht mehr ausgeübt werden, ist nicht mehr genau zu erforschen. Durstige Kehlen behaupten jedenfalls, dass einst das Kühlsystem nicht so perfekt und die Haltbarkeit des flüssigen Labsals folglich eher begrenzt gewesen sei, weshalb zum Faschingsende Restbestände als Freibier ausgeschenkt worden seien, damit diese in der Fastenzeit, in der kein Bier getrunken wurde, nicht verdarben.
Zurück in die Gegenwart:
Die Kirchenuhr schlägt eins und immer mehr schwarzbefrackte Männer mit einem Zylinder auf dem Kopf finden sich beim Ochsenwirt ein. Dort startet nämlich der jährliche "Sauf-Marathon. Nachdem jeder Fischzügler seinen Obulus entrichtet hat, welcher für jene, die beim Faschingszug dabei waren 5,00 DM und für sogenannte "Frischlinge" 8,00 DM beträgt, wird jedem als Zeichen der Mitgliedschaft vom Zermonienmeister einen Fisch auf den Rücken gemalt. 
 

Vor dem Weggang instruiert der Zermonienmeister seine Gefolgschaft über die ehernen Regeln des Fischzuges: Während des Marsches, bei dem insgesamt zehn Gaststätten angesteuert würden, gebe es keinen Rauch, keine Reden, keinen Lacher, keine Gaudi, nicht ein Sterbenswort. In den Kneipen, ja, da dürfe man sich unterhalten, jedoch seien Schnäpse, Pfeifen, fröhliche Lieder und Witze bei einem "Fünfer" verboten.
Dann wird es für die Teilnehmer ernst und der Zug nimmt Aufstellung auf der Straße. Vorn, mit todernstem Gesicht gehen die Laternenträger, danach folgt der Faschingsprinz, der Zermonienmeister sowie die Brot- und Fischverkäufer, dahinter dann im Gänsemarsch die anderen Zugteilnehmer. Mit einer roten Laterne markiert meist Adolf Söldner das Schlusslicht des normalerweise weit über 50 Mann langen Zug. So marschieren sie los, in eleganten Kurven, die von allen eingehalten werden müssen, immer auf der linken Straßenseite, schön in Reih` und Glied.
 

Eine örtliche Wirtschaft nach der anderen wird angesteuert und mindestens 15 Mass Freibier sind allemal drin, Sonderzuwendungen von Geschäftsleuten und Gönnern nicht eingeschlossen. Nach jedem Wirtshaus steigt normalerweise die Anzahl sowie die Redseligkeit der Teilnehmer der Trauergarde. Darum wird jeder Verstoß gegen die Regeln mit einer Geldstrafe von 5,00 DM geahndet, bei schwerem Wiederholungsfall droht sogar der Ausschluss. Der Zug vertilgt kiloweise Heringe mit Brot zu einem Stückpreis von 50 Pfennigen, um so eine saugfähige Unterlage für die vielen Mass`n aufzubauen.
Gegen 22 Uhr hat der Fischzug alle Wirtschaften abgeklappert und die Härtesten der Härtesten sammeln sich bitterlich weinend an der Stelle, wo das Kirwabaumloch ist, um die Prozedur des "Geldbeuteleingrabens" mitzuerleben. Das "Schneiztüchl" zum Wegwischen der Krokodilstränen ist dabei neben einem "Liacht`l das wichtigste Utensil, wenn der Geldbeutel, wohl präpariert auf einer umfunktionierten Misttrage, zum Eingraben vorbereitet wird. Dazu verkündet der Zermonienmeister seinen heulenden, vom Bierkrug verlassenen "Schnapsbrüdern" die Geldbeutel-Litanei. Sein besonderes Anliegen ist die Befreiung von sämtlichen Steuern, wobei die illustre Gemeinschaft jedesmal in lautes Wehklagen ausbricht.
Sobald der Aschermittwoch aber nur eine Minute vorbei ist, lädt dampfender Leberkäs alle Zugteilnehmer zu einem stärkenden Geldbeutelschmaus und anschließendem gemütlichem Beisammensein ein.
Der traditionelle Schmidmühlener Fischzug hat einen derart großen Anklang gefunden, dass er inzwischen von vielen anderen Gemeinden ebenfalls durchgeführt wird.